18.03.2016

#006 BONE TOMAHAWK



Da ich heute keine Lust und Motivation habe, etwas zur eigentlichen Nummer sechs meiner 200 Filme diesen Jahres zu schreiben, was nebenbei bemerkt "Die Jagd" wäre, vertausche ich die Plätze ein bisschen. "Bone Tomahawk"! Kurt Russell! ... Ja, genug der Euphorie fürs Erste. Auf "Bone Tomahawk" bin ich durch den alljährlichen "favourite movies of 20xx"-Podcast von fthismovie.net gekommen, in dem er letzte Jahr auf fast allen Listen auftauchte. Ohne viel von der Story zu wissen hab ich dem Film also relativ spontan eine Chance gegeben und heidewitzka ...




Für alle, die nur spoilerfrei daran interessiert sind, ob es sich lohnt "Bone Tomahawk" anzusehen - lest euch das Fazit (letzter Absatz) durch. Ich werde im Folgenden nämlich auf einige Punkte eingehen, die nicht ohne Spoiler besprochen werden können. Damit wäre das dann auch gesagt ...

Ich huldige oft den Schauspielern eines Filmes als letztes und oft auch weniger, als sie es verdienen. Deshalb will ich genau das im Falle von "Bone Tomahawk" vermeiden und zu allererst die grandiosen Leistungen der Darsteller hervorheben. Gerade Kurt Russell mit seinem "Hateful 8"-Bart und Richard Jenkins als alter Dorfdoktor haben es mir wirklich angetan. Aber auch Patrick Wilson, den ich absolut nicht zu meinen Lieblings-Schauspielern zähle und Matthew Fox geben trotz der geringen "Größe" des Projektes ihr bestes. Man vergisst, gerade durch die stilsicheren Dialoge und die daraus resultierenden Charakterisierungen, schnell "Snake Plissken" und co. - Ein Western mit Figuren, die damals genau so hätten existieren können.


Die Bedrohung aus den Bergen



Die Story ist über weite Strecken, wie es auch die sehr realistisch entworfenen Charaktere sind, sehr geerdet. Wenn es dann aber im letzten Drittel des Films quasi aus dem nichts zur Sache geht, ist aber auch die Kacke am dampfen! Schon die Einführung des Indianerstammes, das "foreshadowing" hat mich so verrückt und neugierig gemacht, das ich den Showdown gar nicht erwarten konnte. Als der Moment des Aufeinandertreffens schließlich kam, war es zwar etwas "anders", aber gerade deswegen genauso grandios, wie erwartet. Sich von jeglichen Western-Konventionen lösend bekommt "Bone Tomahawk" nämlich  einen bedrückenden und sehr grausamen Kannibalen-Horror-Anstrich verpasst. Ich glaube, dass ich etwas in der Form (Cannibal Holocaust ausgeschlossen) noch nicht gesehen habe, vor allem nicht in einem Western, was mir die Überraschung nicht nur versüßt, sondern auch den ganzen Film auf  ein neues "Level" gehievt hat. Dabei sticht eine Szene besonders hervor, die mit ihrer Härte und Unbarmherzigkeit und auch durch die praktischen Effekte einen wirklich starken Eindruck hinterlassen hat. Trotz aller Diskussionen, ob das nun sein musste sage ich "Hut ab!", für mich hat die Szene gewirkt.

Als letztes will ich unbedingt noch erwähnen, dass fast der gesamte Film auf dem Mist von S. Craig Zahler gewachsen ist. Außerdem war das Budget mit etwa 1.8 Mio Dollar (Quelle: ImdB) auch nicht das höchste, von daher Respekt dafür! Der Streifen sieht einfach genau so aus, wie man es sich wünschen würde, hört sich gut an und hat einfach als Gesamtpaket eine wirklich dichte, "einsaugende" Atmosphäre. Ich und meine Adjektive ...

"Bone Tomahawk" hat seine Längen und einige "Goofy"-Momente, ist aber gleichzeitig ein so innovativer, aufregender und "anderer" Western, dass er sich jetzt schon einen Platz in meinem Regal erkämpft hat und ich ihm jedem Horror und / oder Western Fan uneingeschränkt empfehlen will!


8/10

10.03.2016

#005 ERASERHEAD



"And now for something completely different", wie es schon bei Monthy Python hieß. David Lynch. Ein Regisseur, dessen Name schon immer in meinem Kopf herumgeisterte, mich aber nie weiter in seine Lektüre lockte. Das ist aber auch kein Wunder, kaum einer von Lynchs Filmen zahlte sich wirklich zu einhundert Prozent für ihn aus. Schwer zugänglich, komplex, verstörend und visuell ... anders, so könnte man Lynchs Stil ziemlich oberflächlich umreißen. Was ihn und seine Filme aber wirklich so besonders und außergewöhnlich macht,  lässt sich aber nur tief in seinen Werken finden und ist schwer zu beschreiben. So wagte ich mich chronologisch an die Filmographie Lynchs und war gleichermaßen beeindruckt und verängstigt, schlussendlich aber begeistert. Also: Let's give it a try, David Lynchs Premiere "Eraserhead"!




Die Dunkelheit ist anziehend. In ihr lauert das Mysteriöse und wartet auf den Neugierigen. Und ja, ich bin neugierig, verdammt! Schon in den ersten paar Minuten, in denen nicht ein Wort gesprochen wird, entwickelt "Eraserhead" eine so psychedelische, hypnotische und morbide Stimmung, dass man sich seiner Faszination nur noch schwer entziehen kann. Angemerkt sei dabei, dass der Film wirklich sehr speziell ist und der/die ein- oder andere von euch eine komplett andere Meinung dazu hat. Wie auch immer, der schwarz-weiß Look, die maschinellen Sounds im Hintergrund, das Set Design, alles Schreit danach abscheulich, stressig und unkomfortabel zu wirken. Und genau das ist es, was mir an "Eraserhead" am meisten gefällt!

Die Geschichte mal außen vor erzeugt der Streifen eine der merkwürdigsten, dichtesten Atmosphären, derer ich je "teil sein" durfte. Das liegt zum einen natürlich am angesprochenen Look. Die Szenographie ist einwandfrei; ich denke, das Lynch, der einen immensen Zeit- und Kostenaufwand in sein Erstlingsprojekt gesetzt hat, schon in seinen frühen Jahren als Regisseur wusste, wie er seine Gedanken perfekt umsetzen kann. Alles wirkt, als sei es direkt dem Kopf eines pessimistisch-dystopischen Surrealisten entsprungen, der sich gar nicht genug an den erschrockenen Reaktionen seines Publikums erfreuen könnte. Auf der anderen Seite scheint der Film aber auch auf subtile Art einen sehr persönlichen Charakter zu haben; Lynch erklärt ihn als seinen "spirituellsten Film" (s. Interview mit Jason Barlow). Ich könnte noch Stunden weiter über die immersive Kraft, die visuelle Genialität, die unausgereiften aber passenden Effekte und das surreal-geniale Szenenbild elaborieren, das würde aber alle Dämme sprengen. Ich glaube, dass ich einigermaßen gut zum Ausdruck bringen konnte, welche Aspekte es mir besonders angetan haben. 


In heaven, everything is fine



Was mir weniger gut gefallen hat, offen heraus gesagt, ist der Aufbau der Geschichte und die Geschichte an sich. An sich ist sie wirklich interessant, was aber einzig und allein durch die optischen Werte begründet ist. Sie scheint mehr Mittel zum Zweck des visuellen Eindrucks, hier hätte Lynch wirklich noch mehr "rausholen" können, was er tatsächlich später in seiner Karriere auch mit Bravour zu erledigen wusste ... er ist ein besserer Geschichtenerzähler geworden, sorry für die komplizierte Ausdrucksweise. Hinzu kommt, dass nicht alle Performances wirklich auf der Höhe sind. Klar, für einen "ersten Film" eines großen Regisseurs ist das absolut akzeptabel, beispielsweise Jack Nance's Auftritt war mir aber leider etwas zu eindimensional, lieben lernte ich ihn aber als "Pete" in "Twin Peaks" trotzdem noch. 

Zusammenfassend lässt sich ... nicht viel sagen. Ich habe mit meinem wirren Geschwafel gefühlt gerade mal an der Oberfläche dieses wirren Filmes gekratzt, auch wenn er tatsächlich in vielen belangen weniger "deep" erscheint, als von mir zunächst vermutet. "Eraserhead" ist mir als surrealer Horrorfilm trotz seiner Schwächen, seiner Unzugänglichkeit und seiner vielen Ecken und Kanten absolut ans Herz gewachsen und gerade wegen seiner ... nennen wir es einfach "besondere Art der Immersion", einer der faszinierendsten Filme seit langem. Empfehlung für jeden mental stabilen "Fan "des Surrealen und Morbiden und natürlich alle David Lynch Freunde. 


8/10

08.03.2016

#004 A CLOCKWORK ORANGE



Zu meiner Nummer vier werde ich so wenig Worte wie zu wahrscheinlich keinem anderen Film dieses Jahr verlieren. Das liegt zum einen daran, dass "A Clockwork Orange" einer der am meisten polarisierenden Filme aller Zeiten ist. Nicht, dass ich mich scheuen würde, den Film zu bewerten, obwohl ... doch, vielleicht. Ich verbinde sehr viel mit dem Visionär, der Stanley Kubrick war und werde zu einigen seiner Filme wahrscheinlich noch mehr sagen können, an dieser Stelle soll aber eine einfache, persönliche aber unbegründete Wertung reichen. Ich will damit niemandem den Film empfehlen oder ihm absprechen, diese Wertung ist nur die Darstellung meiner Gefühle dem Film gegenüber, sofern das eine Wertung überhaupt auch nur ansatzweise abbilden kann. Ich schreibe mich um Kopf und Kragen ...




Wer sich für eine detaillierte Ausführung von mir zu "A Clockwork Orange" interessiert, kann mich gern unter der Email (im Impressum) oder in den Kommentaren anschreiben, ich habe zu Beginn des Jahres eine wissenschaftliche Analyse über die Gewaltrezeption des Filmes geschrieben, die ich auf Anfrage gern (per Dropbox o.Ä.) teilen würde. So viel dazu, kleiner Schlussakkord auf die Bewertung: Ich glaube, dass ich Stanley Kubrick's "A Clockwork Orange" endlich verstanden habe. 

9/10


02.03.2016

#003 WHIPLASH



"Whiplash" ist ein Film, den ich vor der Oscarverleihung 2015, aus welchen Gründen auch immer, nicht auf dem Schirm hatte. Umso begeisterter war ich als Fan der Musik dann, als ich von seiner Existenz erfuhr, da der Streifen klang, als wäre er für mich geschrieben ... im wahrsten Sinne.




Kommen wir dieses Mal direkt und ohne große Umschweife zum Punkt: "Whiplash" ist ein grandioser Film! Regisseur Damien Chazelle verleiht seiner Liebe zur Musik in unfassbar starken Bildern ausdruck, Miles Teller und J.K. Simmons dem Film Leben. Die gesamte Geschichte wird mit der Jazz-Musik als roten Faden an die äußersten Grenzen des Erträglichen in Sachen Spannung gepusht und das anstrengende, aber auch auf schwer erklärbare Art und Weise erlösende Finale setzt dem Ganzen die Krone auf. "Whiplash" ist ein Trip in die Psyche zweier Menschen, deren Beziehung und ihre Leidenschaft zur Musik, den man wirklich, wirklich lange nicht vergessen wird!
Ganz besonders heraus stechen dabei natürlich, und nein, sie können nicht oft genug gelobt werden, Teller und Simmons. Ohne die beiden würde "Whiplash" nicht funktionieren. Ihr Zusammenspiel, was geschätzt etwa 80% des Filmes ausmacht, geht in die verschiedensten emotionalen Richtungen und zeigt ein ums andere Mal, wie sehr der erste, zweite oder auch dritte Eindruck trügen und man sich in Menschen irren kann. Ok ... das klingt schon wie ein Werbespruch oder so ähnlich, zurück zum Thema ... 


Besser kann Jazz-Musik nicht aussehen


Audiovisuell ist "Whiplash" während all den tollen Performances absolut "state of the art". Gerade die vielen, auf die Musik fokussierten Sequenzen klingen fantastisch und sind auch in ihrer Bildsprache sehr stark. Oft werden gar keine Dialoge benötigt, um die Gefühle der Figuren auszudrücken - viele Konversationen finden ausschließlich auf musikalischer Ebene statt ... und es funktioniert einwandfrei! Mit dem Protagonisten leidend sind die Schweißperlen auf den Becken wie das vergossene Blut einer kräftezehrenden Schlacht, jeder Schlag auf die Snare schlägt ein wie Kanonenfeuer, um noch einmal eine poetische Zusammenfassung zum Besten zu geben.
Alles in allem ist "Whiplash" ein spannender, mitreißender, emotionaler Film, der von seinen Charakteren, seiner genialen visuellen Umsetzung und vor allem seiner Leidenschaft zum Thema lebt und durch all diese Faktoren zu einem absoluten Ausnahmewerk wird. Ach und "by the way", ich fand den Streifen besser als "Birdman" ... 

9/10